Vertrauen statt Dominanz
Inhalt
Wege zu einer neuen Pferdeethik heisst der Untertitel des Buches von Marlitt Wendt … große Worte, aber sehr wahr!
Dieses Buch ist wirklich eine Revolution — anders kann man es nicht nennen.
Auf den ersten 50 Seiten beschäftigt sich die Verhaltensbiologin Marlitt Wendt mit der Geschichte und Herkunft des Pferdes, erläutert die verschiedenen Herdenformen in der Natur und räumt auf mit “alten Zöpfen”: Sie geht auf neue Erkenntnisse von Verhaltensforschern und Biologen ein und stellt die Dominanztheorie in Frage, auf der praktisch JEGLICHES Pferdetraining beruht.
Sehr schön finde ich, dass sie immer wieder betont, dass es “DAS PFERD” nicht gibt — jedes Pferd ist anders und unvergleichbar.
Die Autorin verweist darauf, dass die Herdenstruktur der Pferde sehr viel komplexer ist als von vielen bisher angenommen — nicht immer dominiert ein Pferd das andere oder alle anderen in jeder Situation. Und vor allem kanzelt sie jene Experten ab, die einen Blick auf eine Herde werfen und nach 2 Minuten angeblich wissen, wer der Herdenchef ist.
Das Lernverhalten des Pferdes wird ausführlich erklärt — und für jeden verständlich stellt Frau Wendt dar, wie 90% aller Pferdetrainer nur mit Druck und Disziplinierung arbeiten, also mit negativer Verstärkung. Dadurch entwickelt aber das Pferd keine Freude im Zusammensein mit dem Menschen! Gerade im Westernbereich erlebe ich oft Pferde, die “perfekt funktionieren” und wie dies viele Zuschauer beeindruckt. Diese Pferde leiden aber meist an erlernter Hilflosigkeit und handeln nur noch aus Angst! Man muss ihnen nur in die Augen schauen, um das zu begreifen.
Die Autorin kritisiert auch — ohne Namen zu nennen — viele Trainingsmethoden direkt, wie das “Herumscheuchen im Roundpen” und das Imprint-Training bei Fohlen. Sie erklärt hierbei sehr deutlich, warum solche Methoden schädlich und kontraproduktiv sein können.
Resumée des Ganzen: Man sollte stets darauf bedacht sein, nur mit positiver Verstärkung zu arbeiten. Nicht immer ist das möglich — beim Reiten beispielsweise müssen wir mit negativer Verstärkung arbeiten, wenn wir eine Zügel- oder Schenkelhilfe einsetzen und den Druck sofort wieder wegnehmen, wenn das Pferd in gewünschter Weise reagiert. Aber das Belohnungstraining durch positive Verstärkung sollte stets Vorrang haben!
Fazit
Danke, Frau Wendt, für dieses mutige und wunderbare Buch!! Der Leser wird wirklich zum Umdenken animiert und dazu bewogen zu hinterfragen, was er seinem Pferd mit angeblich “gewaltfreien” Trainingsmethoden alles antut.
“Vertrauen statt Dominanz” von Marlitt Wendt, erschienen 2010 beim CADMOS-Verlag für 24,90 €.